Symbolbild Karriere

Berufsziel Notarin

Wie wird man Notarin? Und ist der Beruf gerade auch für Juristinnen attraktiv? Ein Gespräch mit Notarassessorinnen Dr. Nicola Hoischen,
Dr. Nadja Danninger und Valerie Barthel.

Schildern Sie uns kurz Ihren Werdegang und Ihre aktuelle Tätigkeit!

Hoischen: Sehr gerne. Zunächst habe ich den deutsch-französischen Studiengang Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und der Pariser Universität Panthéon Sorbonne absolviert. Nach meinem ersten Examen war ich an der Universität Köln als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und habe eine rechtsvergleichende Dissertation zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften im deutschen und französischen Recht verfasst. Nach meinem Referendariat im Bereich des Oberlandesgerichts Köln wurde ich Notarassessorin. Zunächst wurde ich 18 Monate lang in einem Notariat in Köln ausgebildet, bevor ich an die Bundesnotarkammer abgeordnet wurde. Vor etwa drei Jahren wurde ich zur Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer bestellt. Die Bundesnotarkammer ist die Dachorganisation aller Notarinnen und Notare in Deutschland und hat inzwischen an die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Hauptgeschäftsführerin bin ich sowohl für die Gesamtorganisation der Kammer verantwortlich, kümmere mich also beispielsweise um Mitarbeiterbelange und den Haushalt, aber vor allem auch um Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorhaben, Rundschreiben an die Notarkammern oder andere berufspolitische Themen. Zugleich ist eine meiner wesentlichen Aufgaben, gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesnotarkammer unsere Standpunkte in Gesprächen mit Ansprechpartnerinnen und -partnern in den Bundes- und Landesministerien sowie mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu vertreten.

Danninger: Ich habe in München und Oxford Jura studiert. Nach meinem Referendariat am Oberlandesgericht München war ich am Max-Planck-Institut in Hamburg als wissenschaftliche Assistentin tätig und habe zur Organhaftung promoviert. Vor drei Jahren wurde ich bayerische Notarassessorin. Meine ersten beiden Ausbildungsstationen habe ich bei Notaren in der Nähe von Landshut und in Regensburg absolviert, bevor ich an die Bundesnotarkammer nach Berlin gegangen bin. Als Referentin für Zukunftstechnologien beschäftige ich mich mit der Digitalisierung in der notariellen Praxis. Unter anderem habe ich ein Blockchain-Projekt mit dem bayerischen Staatsministerium der Justiz geleitet und unter wissenschaftlicher Begleitung eines Fraunhofer-Instituts einen Prototypen für ein digitales Gültigkeitsregister entwickelt.*

Barthel: Ich habe den integrierten deutsch-französischen Jura-Studiengang Mainz/Paris-Est Créteil absolviert. Im Anschluss an das Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz wurde ich vor zwei Jahren Notarassessorin bei der Notarkammer Koblenz. Nachdem ich die ersten beiden Ausbildungsstationen bei Notaren im Kammerbezirk Koblenz absolviert hatte, wurde ich im August 2020 an die Bundesnotarkammer abgeordnet. Seitdem bin ich im Brüsseler Büro als Referentin für internationale Angelegenheiten tätig und beschäftige mich überwiegend mit Projekten der EU, die für den notariellen Bereich relevant sein können, wie beispielsweise zuletzt das von der EU-Kommission veröffentlichte Paket zur Digitalisierung der Justiz.

Warum haben Sie sich entschieden, Notarin zu werden?

Danninger: Für meine Berufsentscheidung war das überzeugende Gesamtpaket entscheidend. Der Beruf der Notarin kombiniert zahlreiche Vorteile zu einer besonderen Mischung: Als Notarin ist man freiberuflich tätig und übt zugleich ein öffentliches Amt aus. Man arbeitet auf sehr hohem juristischem Niveau und kommt dabei täglich mit zahlreichen Menschen, also mit dem „echten Leben“ in Kontakt. Man ist ein Teil der Justiz, nimmt in diesem Rahmen aber eine vorsorgende, also konfliktvermeidende, gestalterische Rolle ein.

Eine weitere schöne Eigenschaft des Berufs habe ich im Laufe meiner Ausbildungsstationen für mich entdeckt: Am Ende jedes Arbeitstages hatte ich das Gefühl, im Kleinen etwas bewegt zu haben. Immobilien wechseln ihre Eigentümer, Gesellschaften werden gegründet, Familien regeln ihren Nachlass oder treffen Vorsorge für den Ernstfall. Das hat etwas sehr Sinnstiftendes.

Barthel: Während meiner juristischen Ausbildung hatte ich noch keine konkrete Vorstellung darüber, wie der Berufsalltag einer Notarin aussieht. Daher habe ich im Referendariat die Möglichkeit genutzt, den Beruf der Notarin näher kennen zu lernen. Schnell wurde mir bewusst, wie facettenreich dieser Beruf ist. Der ständige Wechsel zwischen den Rechtsgebieten (Immobilienrecht, Gesellschaftsrecht, Familienrecht, Erbrecht) macht den Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich. Gleichzeitig treffen Notarinnen und Notare auf unterschiedliche Menschen und Charaktere und beraten diese in wichtigen Phasen ihres Lebens. Die Tätigkeit ist also nicht nur in rechtlicher, sondern auch in menschlicher Hinsicht sehr vielseitig. Reizvoll an diesem Beruf finde ich außerdem das zukunftsorientierte, gestalterische Denken. Während man in anderen juristischen Berufen oftmals erst dann tätig wird, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“, arbeitet man als Notarin im Vorfeld und richtet den Blick auf mögliche Ereignisse in der Zukunft.

Hoischen: Meine Kolleginnen haben bereits sehr viele Facetten des Notarberufs beschrieben. Für mich persönlich war die besondere Stellung des Notars als öffentlicher Amtsträger für die Berufswahl entscheidend. Notarinnen und Notare bringen aufgrund ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit widerstreitende Interessen bei der Vertragsgestaltung in Ausgleich. Als Notarassessorin habe ich sehr schnell die Vielseitigkeit des Notarberufs kennengelernt; ich schätze daran sowohl die Tätigkeit in den verschiedenen Rechtsgebieten als auch die vielfältigen Beratungssituationen – z. B. mit geschäftlich erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern auf der einen Seite und Verbraucherinnen und Verbrauchern, für die bestimmte Rechtsgeschäfte wirtschaftlich und persönlich von einmaliger Bedeutung sind, auf der anderen Seite. Seit meinem Eintritt in den Assessorendienst habe ich nicht daran gezweifelt, dass ich diesen Beruf ausüben möchte.

Wie wird man Notarin?

Hoischen: Grundvoraussetzung ist zunächst das erste und zweite juristische Staatsexamen. Danach kommt es darauf an, ob man Nur-Notarin oder Anwaltsnotarin werden möchte. Wir haben in Deutschland nämlich zwei Notariatsformen.** In etwa zwei Dritteln des Bundesgebietes werden die Notarinnen und Notare zur hauptberuflichen Notartätigkeit auf Lebenszeit bestellt. Der Zugang zu einem solchen Notaramt setzt eine mehrjährige Ausbildung voraus, den sogenannten Änwärterdienst. Während dieses Anwärterdienstes gewinnt man als Notarassessorin bzw. Notarassessor praktische Erfahrungen durch die Ausbildung bei verschiedenen Notarinnen und Notaren, durch die Übernahme von Vertretungen und durch Teilnahme an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen. Wir drei sind derzeit bei verschiedenen Notarkammern im Anwärterdienst und in diesem Rahmen an die Bundesnotarkammer abgeordnet. Während dieser Zeit steht man in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und erhält Bezüge, die denen eines Richtergehalts (R1) entsprechen.

Demgegenüber werden in etwa einem Drittel Deutschlands Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit mehrjähriger Berufserfahrung und Nachweis der erforderlichen notarspezifischen Qualifikation zu Notarinnen und Notaren bestellt. Sie üben diesen Beruf neben dem des Anwaltsberufs aus. Voraussetzung ist neben dem Bestehen der notariellen Fachprüfung eine Tätigkeit als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt für mindestens fünf Jahre.

Derzeit gibt es in Deutschland noch deutlich mehr Notare als Notarinnen. Was wird konkret für die Förderung von Frauen getan? Was muss sich Ihrer Meinung nach noch ändern?

Hoischen: Es ist erklärtes Ziel der Justizministerien und der Notarkammern, den Anteil von Frauen im Notarberuf zu erhöhen. In vielen Ausschreibungen werden Frauen ausdrücklich aufgefordert, sich zu bewerben. Der Anwärterdienst ist bereits sehr familienfreundlich, Teilzeit und Elternzeit sind wie in der Justiz möglich. Das müssen wir noch besser kommunizieren. Auch das Notaramt selbst wird familienfreundlicher werden. Nach dem aktuellen Reformvorschlag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz können beispielsweise Notarinnen und Notare zukünftig ihr Amt zum Zwecke der Betreuung minderjähriger Kinder bis zu einer Dauer von drei Jahren mit einer Wiederbestellungsgarantie am selben Amtssitz niederlegen. Damit wird ihnen gestattet, ihre Tätigkeit aufgrund ihrer familiären Verpflichtung ähnlich lange wie Arbeitnehmerinnen und -nehmer zu unterbrechen. Das erhöht die Flexibilität.

Barthel: Ich glaube, wir müssen vor allem auch mehr an den Universitäten und im Referendariat über die Tätigkeit als Notarin und Notar informieren. Unter dem Beruf können sich viele Studierende nur wenig vorstellen oder haben vielleicht sogar falsche Vorstellungen. Das Klischee, dass Notarinnen und Notare nur vorlesen, ist leider noch sehr verbreitet. Dabei ist es gerade die Vielseitigkeit der Aufgaben, die diesen Beruf so spannend macht.

Was würden Sie Jura-Absolventinnen empfehlen, die vor ihrer Berufswahl stehen? Was möchten Sie ihnen auf den Weg geben, wenn sie sich für eine Notartätigkeit interessieren?

Danninger: Viele Absolventinnen, die die Voraussetzungen für den Beruf der Notarin mitbringen, stehen bei ihrer Berufsentscheidung vor der Qual der Wahl. Zunächst sollte man sich eine fundierte Informationsgrundlage schaffen. Die Berufsbilder der Richterin, Staatsanwältin, Rechtsanwältin und Verwaltungsjuristin sind bereits aus Praktika und Referendarstationen bekannt. Wer sich vorstellen kann, Notarin zu werden, sollte sich auch diesen Beruf einfach in der Praxis ansehen. Für Absolventinnen eignet sich dafür am besten eine Hospitation. Dabei begleitet man eine Notarin oder einen Notar durch das Amt und erhält so über einen oder mehrere Tage hinweg ein realistisches Bild. Selbst wenn man meint, „eher nicht“ Notarin werden zu wollen, lohnt es ein, zwei Tage zu investieren – dieser schöne Beruf verdient es, ihm eine Chance zu geben. Wichtig ist außerdem eine Selbstreflexion. Es geht darum, die eigenen beruflichen „Must Haves“ und „Nice to Haves“ herauszufinden. Abstrakt ist das nicht ganz einfach. Daher kann es helfen, sich bewusst zu machen, bei welcher Art von Tätigkeit man in der Vergangenheit am meisten Freude hatte, und was genau dabei das Entscheidende war. Wenn die notarielle Tätigkeit davon einiges abdeckt, spricht viel dafür, dass ein Berufsleben als Notarin sehr erfüllend sein wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

* Siehe hierzu auch die Pressemitteilung „Innovationspreis für erste Blockchain-Kooperation in der Justiz“.

** Siehe für weitere Informationen https://www.notar.de/der-notar/notariatsformen.

 

Dr. Nicola Hoischen ist Notarassessorin im Bezirk der Hamburgischen Notarkammer und ehemalige Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer.

Dr. Nadja Gräfin Wolffskeel von Reichenberg ist Notarin a.D. im Bezirk der Landesnotarkammer Bayern und Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer. Vor ihrer Ernennung zur Hauptgeschäftsführerin war sie Referentin für Zukunftstechnologien.

Valerie Barthel ist Notarassessorin im Bezirk der Koblenzer Notarkammer und derzeit im Brüsseler Büro der Bundesnotarkammer als Referentin für internationale Angelegenheiten tätig.

Bei Fragen zum Notarberuf wenden Sie sich bitte direkt an die jeweilige regionale Notarkammer.

  • Bild von Nicola Hoischen

    Dr. Nicola Hoischen

    Ehemalige Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer

  • schwarz-weiß Portrait von Frau Danninger

    Dr. Nadja Gräfin Wolffskeel von Reichenberg

    Ehemalige Hauptgeschäftsführerin der Bundesnotarkammer

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